Unternehmenssanierung: Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärung und Patronatserklärung erklärt

Unternehmenssanierung - Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärung und Patronatserklärung erklärt
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So funktioniert die Unternehmenssanierung: Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärung und Patronatserklärung vom Anwalt erklärt

So retten Sie Ihr Unternehmen vor der Insolvenz.

Seit Beginn der Coronapandemie haben es Unternehmen nicht leicht. Unternehmensschließungen, instabile Auftragslage und Lieferengpässe treffen nahezu jedes Unternehmen.

Ist Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung eingetreten oder im Begriff einzutreten, sollten Sie Ihre Möglichkeiten kennen, Ihr Unternehmen zu retten.

Im Folgenden erklären wir die Unternehmenssanierung. Dazu stellen wir die Insolvenzgründe nach der Insolvenzordnung (InsO) und die entsprechenden Sanierungsmittel vor.

Die Insolvenzgründe

Zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist ein Eröffnungsgrund erforderlich, § 16 InsO. Dieser kann entweder die Zahlungsunfähigkeit, § 17 InsO (bei Eigenantrag des Schuldners auch die drohende Zahlungsunfähigkeit, § 18 InsO) oder die Überschuldung, § 19 InsO sein.

Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit liegt nach § 17 Abs. 2 InsO vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten gegenüber seinen Gläubigern zu erfüllen. Angenommen wird dies, wenn die Zahlungen vom Schuldner eingestellt wurden.

Erforderlich ist jedoch nicht, dass die Forderungen ernsthaft eingefordert wurden. Es genügt vielmehr die bloße Fälligkeit. (1) Damit soll die Verfahrenseröffnung erleichtert werden. Außerdem meint der Gesetzgeber mit Zahlungspflichten ausschließlich Geldschulden. (2)

Drohende Zahlungsunfähigkeit

Drohende Zahlungsunfähigkeit ist nach § 18 Abs. 2 InsO gegeben, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

Dieser Eröffnungsgrund ist nur zulässig, wenn der Schuldner selbst den Eröffnungsantrag (Eigenantrag) stellt. Dies hat den Grund, dass ansonsten Gläubiger den Schuldner zu insolvenzfremden Zwecken unter Druck setzen könnten und außergerichtliche Sanierungsbemühungen nicht gestört werden sollen. Es gilt insoweit auch keine Antragspflicht. (3) Die Antragsberechtigten sind in § 18 Abs. 3 InsO genannt.

Überschuldung

Juristische Personen können sich zudem auf den Eröffnungsgrund der Überschuldung berufen, § 19 Abs. 1 InsO. Sie liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt (rechnerisch) und keine positive Fortbestehensprognose vorliegt. Um die Überschuldung zu ermitteln, werden die Vermögenswerte zum Liquidationswert den Verbindlichkeiten gegenübergestellt. Liegt dann eine rechnerische Überschuldung vor, muss die Gesellschaft eine positive Fortbestehensprognose haben, sprich innerhalb von 12 Monaten durchfinanziert sein, § 19 Abs. 2 S. 1 InsO. Der § 19 InsO dient dem präventiven Gläubigerschutz, da die Gesellschaft angehalten ist, regelmäßig ihre Vermögenslage zu überwachen. (4)

Auch keine Antragspflicht. (3) Die Antragsberechtigten sind in § 18 Abs. 3 InsO genannt.

Die Sanierungsmittel

Als Sanierungsmittel kommen Forderungsverzicht und Rangrücktritt in Betracht, die jedoch zu keiner neuen Liquidität des Unternehmens führen. Sie dienen vielmehr dazu, die rechnerische Überschuldung zu beseitigen. Da es inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Sanierungsmitteln gibt, müssen diese voneinander abgegrenzt werden.

Als dritte Möglichkeit, dem Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose zu sichern, kommt eine Patronatserklärung in Betracht.

Um jedoch tatsächlich der Gesellschaft zur Liquidität zu verhelfen, kann nur Eigenkapital zugeführt oder ein Darlehen ausgestellt werden. 

Im Folgenden die einzelnen Sanierungsmittel erklärt:

Forderungsverzicht

Liegt keine positive Fortbestehensprognose vor und ist die Gesellschaft rechnerisch überschuldet i.S.d. § 19 InsO, muss die Geschäftsleitung einen Insolvenzantrag stellen (unverzüglich!), außer die Sanierung ist aus Sicht eines sorgfältigen Geschäftsführers noch nicht gescheitert – dann darf noch 6 Wochen (Höchstfrist) gewartet werden, § 15a InsO.

Der Forderungsverzicht kann die rechnerische Überschuldung beseitigen, da er als Erlassvertrag (§ 397 BGB) unter der auflösenden Bedingung steht, dass die Forderungen nach Maßgabe der Besserungsabrede wieder aufleben. (5) Die akzessorischen Sicherheiten (z.B. Mobiliarpfandrecht, Hypothek, Bürgschaft) erlöschen und die nicht akzessorischen sind zurückzugeben, es sei denn, es gibt eine anderslautende Vereinbarung. (6) Im Überschuldungsstatus werden die Verbindlichkeiten, auf die verzichtet wurde, auf der Passivseite nicht mehr aufgeführt – die rechnerische Überschuldung wird somit verringert. 

Da der Forderungsverzicht auch steuerliche Implikationen nach sich ziehen kann, sollte ein Steuerberater hinzugezogen werden!

Rangrücktrittserklärung

Durch eine Rangrücktrittsvereinbarung (qualifizierter Rangrücktritt) können einzelne Verbindlichkeiten auf der Passivseite des Überschuldungsstatus ausgeblendet werden. Diese qualifizierte Rangrücktrittsvereinbarung ist eine (verfügende) Änderung des Schuldverhältnisses (7) und ein Vertrag zugunsten Dritter – der Gläubigergesamtheit. Inhaltlich darf die Forderung auf der Passivseite nicht mehr auftauchen und nur mit Nachrang (i.S.d. §§ 38, 39 Abs. 1 Nr. 1-5 InsO) und außerhalb des Insolvenzverfahrens befriedigt werden, wenn das (künftige) Aktivvermögen die Verbindlichkeiten übersteigt. Zudem kann die Vereinbarung ab Eintritt der Insolvenzreife nicht durch zweiseitige Abrede (Gläubiger-Schuldner) aufgehoben werden. (8)

Der Rangrücktritt hemmt nur die Durchsetzbarkeit der Forderung, sodass keine Verwertungsreife eintritt und die Sicherheiten erst mit Insolvenzeröffnung zurückzuübertragen sind. (9)

Bei einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung sollte wegen etwaiger steuerlicher Implikationen ein Steuerberater konsultiert werden!

Patronatserklärung

Eine Patronatserklärung kann vielerlei Gestalt haben und ist je nach Formulierung als Sanierungsmittel geeinigt. Unterschieden wird in harte und weiche sowie externe und interne Patronatserklärung.

Eine weiche Patronatserklärung ist im Prinzip nur eine Wissenserklärung (Good-Will-Erklärung) des Patrons (z.B. Konzernmutter oder Gesellschafter), dass er hinter seinem Protegé (Tochtergesellschaft oder Gesellschaft) steht. Sie allein führt nicht zur Haftung und ist daher nicht als Sanierungsmittel geeignet. (10)

Die harte Patronatserklärung begründet hingegen eine Verpflichtung seitens des Patrons, gegenüber dem Gläubiger des Protegés zu haften. In Gestalt eines Garantievertrages verpflichtet sich der Patron z. B. zur Herstellung oder Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Protegés oder zur Ausstattung mit finanziellen Mitteln. Hier kommt es maßgebend auf die genaue Formulierung an. (11) 

Eine externe (harte) Patronatserklärung beschreibt das Verhältnis zwischen dem Patron und dem Gläubiger. Inhaltlich erklärt der Patron (Mutterkonzern oder Gesellschafter) gegenüber dem Gläubiger des Protegés seine Verpflichtung, für die Zahlungsfähigkeit des Protegés zu sorgen, sodass die Verbindlichkeiten getilgt werden können. Sie beschreibt eine unbegrenzte Nachschusspflicht, die ein Insolvenzverfahren vermeiden soll, begründet jedoch keinen Wertzuführungs- oder Zahlungsanspruch des Protegés. Sie ist als Sanierungsmittel geeignet. (12)

Demgegenüber kann der Patron diese Verpflichtung auch nur intern gegenüber dem Protegé erklären. Dem Inhalt nach kann die interne (harte) Patronatserklärung Liquiditätszusagen oder -garantien sowie Verlustdeckungszusagen beinhalten, die z.B. auf einen Zweck oder Zeitraum beschränkt werden können. Die in § 15a InsO normierte Insolvenzantragspflicht kann so vermieden werden und somit ist die interne (harte) Patronatserklärung ebenfalls als Sanierungsmittel geeignet. (13)

Auch hier sollte der Steuerberater konsultiert werden!

Wann ist welches Sanierungsmittel sinnvoll?

Ein auf das Insolvenzrecht spezialisierter Rechtsanwalt kann Ihnen in einem Beratungsgespräch erklären, ob in Ihrer individuellen Lage ein Sanierungsmittel in Betracht kommt und welches dies sein kann.

Eine rechnerische Überschuldung ist grds. mit einem Forderungsverzicht oder einer qualifizierten Rangrücktrittsvereinbarung zu beseitigen. Liegt jedoch keine positive Fortbestehensprognose aufgrund unsicherer Auftragslage o.ä. vor, kann eine Patronatserklärung für Liquidität sorgen.

Dieser Artikel ist stark vereinfacht und dient lediglich zu Informationszwecken. Eine individuelle Beratung mit einem Rechtsanwalt ist zu empfehlen!

Haben Sie Fragen zum Thema Unternehmenssanierung, Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärung und Patronatserklärung?

Steht Ihr Unternehmen vor der Insolvenz und möchten Sie über Ihre Handlungsmöglichkeiten informiert werden? Wir helfen Ihnen dabei, die Unternehmenssanierung erfolgreich und rechtssicher zu überstehen und beraten Sie bei der Beantragung von Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärung und der Patronatserklärung.

Rufen Sie uns einfach unter der Telefonnummer 04202 / 6 38 37 0 an oder schreiben Sie uns per E-Mail: info@rechtsanwaltkaufmann.de. Wir beraten Sie gerne über Ihre Möglichkeiten und helfen Ihnen, aus Ihren Schulden herauszukommen.

Die enthaltenen Informationen in diesen Artikel dienen allgemeinen Informationszwecken und beziehen sich nicht auf die spezielle Situation einer Person. Sie stellen keine rechtliche Beratung dar. Im konkreten Einzelfall kann der vorliegende Inhalt keine individuelle Beratung durch fachkundige Personen ersetzen.


Fragen und Antworten zum Thema Unternehmenssanierung, Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärung und Patronatserklärung


Quellen zum Thema Unternehmenssanierung, Forderungsverzicht, Rangrücktrittserklärung und Patronatserklärung

  1. Müller in Jaeger, InsO, § 17 Rdn. 4 (2004)
  2. Müller in Jaeger, InsO, § 17 Rdn. 6 (2004)
  3. Müller in Jaeger, InsO, § 18 Rdn. 2 (2004)
  4. Müller in Jaeger, InsO, § 19 Rdn. 4 (2004)
  5. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 189
  6. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 190
  7. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 189
  8. Urteil des IX. Zivilsenats vom 5.3.2015 – IX ZR 133/14 – (bundesgerichtshof.de)
  9. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 191
  10. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 178
  11. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 178 f.
  12. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 179
  13. Andres in Runkel/Schmidt (Hrsg.), AHB Insolvenzrecht, Aufl., § 1 Rn. 179

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