§ 887 ZPO – Rücküberweisungen von Kryptowährungen: Was passiert bei einer falschen Überweisung?

887 ZPO - Mit Kryptowährungen bezahlen - Was passiert bei einer falschen Überweisung
Photo by Mariia Shalabaieva on Unsplash

Titel auf Rücküberweisung von Kryptowerten kann im Wege der Ersatzvornahme (§ 887 ZPO) vollstreckt werden

OLG Düsseldorf entscheidet gegen LG Mönchengladbach – Übertragung von Kryptowerten ist eine vertretbare Handlung

Wegweisendes Urteil zur Unterscheidung von vertretbaren und nicht vertretbaren Handlungen im Sinne des § 887 ZPO.

Was ist der Unterschied zwischen vertretbaren und nicht vertretbaren Handlungen und wofür ist dies wichtig?

Wer vor Gericht recht bekommt, hat deshalb nicht zwangsläufig schon sein Ziel erreicht. Es ist das eine, Recht bekommen zu haben, die Früchte des Rechts ernten zu können, ist indes eine andere Sache. Einen Anspruch auf Zahlung einer Geldsumme gegen einen Schuldner zu haben, ist so lange noch nicht viel Wert, bis die Zahlung tatsächlich vorgenommen worden ist.

Die Zivilprozessordnung stattet den Gläubiger daher mit Mitteln zur Durchsetzung des Anspruchs auch gegen zahlungsunwillige Schuldner aus. Die Zahlung einer Geldsumme oder die Herausgabe eines Gegenstandes sind Beispiele für vertretbare Handlungen, § 887 ZPO. Diese können gerade auch durch andere Personen als nur den Schuldner selbst vorgenommen werden. Dies geschieht dann auf Kosten des Schuldners. Die Abgabe einer bestimmten Erklärung hingegen kann durch niemand anderen als den Schuldner selbst vorgenommen werden, die Handlung ist nicht vertretbar, § 888 ZPO. Einzig kann versucht werden, den Willen des Schuldners durch Auferlegung eines Zwangsgelds oder von Ordnungshaft zu beugen. 

Es ist für den Gläubiger also stets von Vorteil, wenn die vom Schuldner begehrte Handlung eine vertretbare ist, da der Erfolg so weniger von der Kooperationsbereitschaft der Gegenseite abhängt.

Bei Bezahlung mit Kryptowährungen war die Vertretbarkeit strittig

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte die vorherige Instanz in Mönchengladbach eine Vertretbarkeit der Handlung noch abgelehnt. Worin liegt das Problem bei der Unterscheidung? Das Problem besteht in der komplizierten Rechtsnatur von Kryptowährungen wie Bitcoin. Diese werden im Internet-Zahlungsverkehr zwar behandelt wie gewöhnliche Währungen, dies spiegelt jedoch nicht die rechtliche Situation wider. Bei Bitcoin handelt es sich nicht um Geld im Sinne des Gesetzes, denn Bitcoin lässt sich weder unter die Definition von Bargeld, noch von Buch- oder E-Geld subsumieren.

Für Bargeld mangelt es recht offenkundig schon an der Körperlichkeit, denn Bitcoin existiert nur digital. Buch- oder E-Geld hingegen existiert nur in Abhängigkeit zu einem sogenannten “Emittenten”, z. B. einer Bank. Aufgrund der dezentralen Struktur von Kryptowährungen mangelt es an einem solchen Emittenten, da die Werte in der öffentlich zugänglichen Blockchain gespeichert sind.

Dennoch ist Bitcoin im juristischen Sinne nicht wertlos. Dies würde im eklatanten Widerspruch zur Tatsache stehen, dass Kryptowährungen mitunter sehr viel wert sein können. Nach einhelliger Meinung sind Kryptowährungen ein “Finanzinstrument in Form einer Rechnungseinheit”.

Aufgrund dessen lassen sich Kryptowährungen von der Zivilprozessordnung auch nicht wie herkömmliches Geld behandeln. Hätte es sich beim Rechtsstreit vor dem LG Mönchengladbach um eine herkömmliche Banküberweisung gehandelt, läge unstrittig eine vertretbare Handlung vor. Denn anstelle des zahlungsunwilligen Schuldners kann aufgrund eines Vollstreckungstitels die Bank die notwendige Rücküberweisung vornehmen. Wie bereits zuvor erwähnt, werden Kryptowährungen jedoch gerade nicht von Banken herausgegeben, sodass es an dieser zentralen Instanz gerade fehlt.

Der Kryptogeld-Besitzer verfügt anstelle eines Kontos über ein sogenanntes “Wallet”. Der Wert ist nicht unmittelbar im Wallet selbst gespeichert, das Wallet gibt lediglich darüber Auskunft, über wie viel Kryptowährung der Inhaber verfügen darf. Zugang zu diesem Wallet hat nur der Inhaber, dies wird mittels eines digitalen Schlüssels sichergestellt. Da außer dem Wallet- und Schlüsselinhaber niemand Überweisungen aus dem Kryptovermögen eines anderen veranlassen kann, galt diese Handlung vor Gericht als nicht vertretbar. 

Das OLG Düsseldorf behalf sich eines juristischen Kniffs: Der Kläger verlangte nicht wörtlich, dass die 0,9 Bitcoin aus dem Wallet des Schuldners stammen sollen. Damit blieb offen, woher das Kryptogeld genau kommen muss. So verurteilte das Düsseldorfer Gericht den Klagegegner schlicht zur Übertragung von 0,9 Bitcoin an die vom Gläubiger bezeichnete Wallet-Adresse. So formuliert, erlaubt das Urteil auch eine anderweitige Beschaffung der geschuldeten Kryptowährung, beispielsweise über bitcoin.de. Dies und die anschließende Überweisung der Währung an die Wallet-Adresse des Gläubigers kann durchaus auch durch Dritte auf Kosten des Schuldners vorgenommen werden, es handelt sich um eine vertretbare Handlung im Sinne von § 887 ZPO.

Was bedeutet das Urteil für die Rücküberweisung von Krypto-Geld?

Das urteilende OLG Düsseldorf hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zwar zugelassen, der Schuldner, indes hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. Was erfreulich für den Gläubiger ist, bedeutet auch, dass vorerst keine höchstrichterliche Entscheidung in dieser Causa zu erwarten ist.

Das Düsseldorfer Gericht hat mit dem besprochenen Urteil juristisches Neuland betreten, doch anderen Gerichten steht es frei, die Frage der Vertretbarkeit von Krypto-Rücküberweisungen anders zu bewerten. Endgültige Rechtssicherheit für Geschädigte ist damit noch nicht erreicht.

Probleme mit Bezahlung oder Rücküberweisung von Kryptowährung?

Die Digitalisierung unserer Welt schreitet unaufhaltsam voran und stellt unsere Gesellschaft sowie unser Justizsystem vor ständig neue Aufgaben und Probleme. Gerade der juristische Umgang mit Kryptowährungen ist ungewohnt und fordert Gerichte zum Einschlagen neuer Wege heraus. Unsere Kanzlei ist Ihnen gerne dabei behilflich, sich ihr Kryptogeld zurückzuholen oder sich gegen unrechtmäßige Forderungen zu wehren. Wir verschaffen Ihnen im juristischen Dschungel der deutschen Digitalisierung wieder den Durchblick und verhelfen Ihnen zu Ihrem Recht.

Kontaktieren Sie gerne unsere Kanzlei unter 04202 / 638370 oder schreiben Sie uns per E-Mail eine Nachricht an: info@rechtsanwaltkaufmann.de 

Die enthaltenen Informationen in diesen Artikel dienen allgemeinen Informationszwecken und beziehen sich nicht auf die spezielle Situation einer Person. Sie stellen keine rechtliche Beratung dar. Im konkreten Einzelfall kann der vorliegende Inhalt keine individuelle Beratung durch fachkundige Personen ersetzen.


Fragen und Antworten zum Thema „Rücküberweisung Krypto.“

Was ist eine vertretbare Handlung und nicht vertretbare Handlungen nach der Zivilprozessordnung?

Vertretbare Handlungen nach § 887 ZPO können auch durch jemand anderen als den eigentlichen Schuldner übernommen werden. Nicht vertretbare Handlungen nach § 888 ZPO können nur durch den Schuldner höchstpersönlich durchgeführt werden. Zeigt sich ein Beklagter zahlungsunwillig, kann etwa der Betrag von seinem Konto gepfändet werden. Hat jedoch der Schuldner eine Willenserklärung abzugeben, wie die Zustimmung zu einem Vertrag es erfordert, kann dies durch niemand anderen als den Schuldner selbst erfolgen.

§ 887 ZPO – Kann ich die Rücküberweisung von Kryptowährung einklagen?

Die diesbezügliche Rechtsprechung ist uneinheitlich, ein höchstrichterliches Urteil steht noch aus. Die Vertretbarkeit der Rücküberweisung wurde bisher zumeist verneint, sodass einzig versucht werden konnte, den Schuldner durch die Auferlegung von Zwangsgeld zum Einlenken zu bewegen. Ein oberlandesgerichtliches Urteil aus Düsseldorf hat zuletzt jedoch einen Richtungswechsel angedeutet und darf Gläubiger hoffen lassen.

Warum kann der Schuldner nicht von seiner Bank zur Rücküberweisung des Kryptogelds gezwungen werden?

Kryptowährungen werden nicht von Banken herausgegeben. Auch existiert keine sonst vergleichbare zentrale Herausgabestelle. Kryptogeld entsteht, je nach den Eigenheiten der spezifischen Währung, dezentral und wird auch so verwaltet, nämlich mittels der sogenannten Blockchain. In dieser werden sämtliche Transaktionen öffentlich einsehbar gespeichert. Die Wallets der Kryptogeld-Besitzer sind nur ebendiesen zugänglich, sodass auch keine Bank oder vergleichbare Instanz eine Rücküberweisung erzwingen kann.


Quellen zum Thema „887 ZPO.“

LG Mönchengladbach, Urt. v. 3.12.2019 – 11 O 331/19

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.1.2021 – 7 W 44/20

Koch: Die Zwangsvollstreckung in virtuelle Währungen, DGVZ 2020, 85

Schmidt: Zwangsvollstreckungsrecht: Durchsetzung eines Anspruchs auf Übertragung von Bitcoin JuS 2022, 77

Kütük/Sorge: Bitcoin im deutschen Vollstreckungsrecht – Von der „Tulpenmanie” zur „Bitcoinmanie”, MMR 2014, 643

Badstuber: Bitcoin und andere Kryptowährungen in der Zwangsvollstreckung DGVZ 2019, 246Photo by

Mariia Shalabaieva on Unsplash


Related Posts