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Nachlassinsolvenz und Nachlassinsolvenzverfahren
So werden Sie die Nachlassverbindlichkeiten los und vermeiden ein Nachlassinsolvenzverfahren
Das Nachlassinsolvenzverfahren ist ein besonderes Insolvenzverfahren, das man Sonderinsolvenzverfahren über den Nachlass (1) nennt. Sinn des Nachlassinsolvenzverfahrens ist es, die Haftung des Erben auf den Nachlass zu beschränken und die Nachlassgläubiger zu befriedigen. Sobald der Erbe das Erbe antritt (und nicht ausgeschlagen hat), haftet er grundsätzlich unbeschränkt (also auch mit seinem Privatvermögen) für die Nachlassverbindlichkeiten, § 1967 BGB. Diese unbeschränkte Haftung möchte der Erbe naturgemäß beseitigen.
Die Nachlassinsolvenz dient also der Absicherung des Erben, da dieser ausschließlich mit dem Nachlass die bestehenden Verbindlichkeiten erfüllen muss. Das Privatvermögen des Erben wird nicht angetastet – auch dann nicht, wenn der Nachlass nicht zur Deckung der Nachlassverbindlichkeiten genügt. Damit diese Rechtsfolge eintritt, muss der Erbe einen Nachlassverwalter eingeschaltet haben oder das Nachlassinsolvenzverfahren beantragen, § 1975 BGB.
Einen Nachlassverwalter zu beantragen ergibt Sinn, wenn der Nachlass unübersichtlich ist und noch nicht feststeht, ob ein Eröffnungsgrund für ein Nachlassinsolvenzverfahren gegeben ist.
Insolvenzgründe und Insolvenzantrag
Damit ein Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet werden kann, benötigt das Gericht einen Eröffnungsantrag, § 13 Abs. 1 S. 1 InsO. Antragsberechtigt sind gemäß § 317 InsO jeder Erbe (Miterben auch allein), der Nachlassverwalter sowie ein anderer Nachlasspfleger, der Verwaltungstestamentsvollstrecker und jeder Nachlassgläubiger. Stellt ein Nachlassgläubiger den Antrag, muss er die Frist von 2 Jahren nach Erbschaftsannahme beachten, § 319 InsO. Das Nachlassinsolvenzverfahren ist außerdem zulässig, wenn der Erbe das Erbe noch nicht angenommen hat oder wenn bei mehreren Erben eine Teilung des Nachlasses bereits stattgefunden hat, § 316 InsO. Das Verfahren kann nur über den Nachlass im Ganzen stattfinden.
Neben dem Eröffnungsantrag muss ein Eröffnungsgrund vorliegen, § 16 InsO. Dieser kann in der Zahlungsunfähigkeit (= Schuldner kann seinen Zahlungspflichten nicht nachkommen), § 17 InsO oder der Überschuldung (= Nachlasswert zu klein, um die Verbindlichkeiten zu erfüllen), § 19 InsO liegen. Gemäß § 320 InsO ist auch die drohende Zahlungsunfähigkeit ein Eröffnungsgrund, wenn der Erbe, der Nachlassverwalter oder ein anderer Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker die Eröffnung des Verfahrens beantragen. (2)
Es gibt eine unverzügliche Antragspflicht für den Erben und den Nachlassverwalter, sobald sie von der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangen. Dabei wird der Kenntnis die sorgfaltswidrige Unkenntnis über den Eröffnungsgrund gleichgestellt. (3)
Es gibt daher die Möglichkeit, ein Aufgebot bei Gericht zu beantragen. Mit dem Aufgebot können alle Gläubiger des Erblassers ihre Forderungen beim Insolvenzverwalter anmelden, § 28 InsO, § 1970 BGB.
Das Nachlassinsolvenzverfahren
Wurde ein Antrag auf Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens unter Angabe eines Eröffnungsgrundes gestellt, kann das Verfahren per Beschluss eröffnet werden. Der Antrag kann jedoch auch abgelehnt werden, wenn zu wenig Masse vorhanden ist, um die Kosten des Nachlassinsolvenzverfahrens zu decken, § 26 Abs. 1 S. 1 InsO.
Sachlich zuständig für das Nachlassinsolvenzverfahren ist das Amtsgericht (Insolvenzgericht), in dessen Bezirk das Landgericht seinen Sitz hat, § 2 Abs. 1 InsO. Örtlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Erblasser zur Zeit seines Todes seinen allgemeinen Gerichtsstand (Wohnsitz) hatte, § 315 S. 1 InsO.
Wurde also fristgerecht ein Antrag gestellt und ist genügend Insolvenzmasse vorhanden, wird vom Gericht das Insolvenzverfahren eröffnet und ein Insolvenzverwalter bestellt, § 27 InsO. Der Insolvenzverwalter nimmt den Nachlass in Besitz und verwaltet ihn anstelle der Erben während der gesamten Dauer des Verfahrens, § 80 Abs. 1, 148 Abs. 1 InsO. Weiterhin hat er die Aufgabe, das Masseverzeichnis und das Gläubigerverzeichnis etc. zu erstellen, §§ 151, 152 InsO, einen Insolvenzplan aufzustellen, §§ 217 ff. InsO und ihn vom Gericht bestätigen zu lassen, § 248 InsO sowie das Vermögen zu verwerten und gleichzeitig die Gläubigerinteressen zu wahren und nachrangig auch die Pflichtteilsberechtigten und Vermächtnisnehmer zu befriedigen (falls möglich).
Hat der Nachlassinsolvenzverwalter die Schlussverteilung durchgeführt und ist der Insolvenzplan rechtskräftig geworden, wird das Insolvenzverfahren durch das Gericht per Beschluss aufgehoben, § 200 InsO.Das Nachlassinsolvenzverfahren kann auf drei Wegen beendet werden. Zum einen kann das Verfahren eingestellt werden, wenn der Nachlass doch nicht überschuldet ist, bzw. doch Zahlungsfähigkeit besteht, § 212 InsO. Weiterhin kann wegen fehlender Masse eingestellt werden, § 207 InsO oder wenn alle Nachlassgläubiger dem Antrag des Erben auf Einstellung zustimmen, § 213 InsO.
Rechtswirkungen des Nachlassinsolvenzverfahrens und Folgen
Sobald das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet wird, wird der Nachlass vom Nachlassinsolvenzverwalter beschlagnahmt und der Erbe verliert das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über den Nachlass an ihn, §§ 80 Abs. 1, 148 Abs. 1 InsO.
Zugleich wird die Haftung des Erben auf den Nachlass beschränkt und eine etwaige Verschmelzung der Vermögensmassen rückwirkend beseitigt, § 1975 BGB. Jedes Verfahren, das den Nachlass betrifft, wird unterbrochen und kann vom Nachlassinsolvenzverwalter fortgeführt werden. (4)
Die Nachlassgläubiger müssen ihre Forderungen schriftlich beim Nachlassinsolvenzverwalter anmelden, § 174 Abs. 1 S. 1 InsO – Klagen und Vollstreckungen gegen und in den Nachlass sind unzulässig, § 89 InsO.
Insolvenzgläubiger, die nachrangig befriedigt werden, können ihre Forderungen nur auf ausdrückliche Anordnung des Gerichts anmelden. Durch die Anmeldung wird die Verjährung gehemmt. (5)
Der Erbe kann sich auf die Dürftigkeitseinrede gemäß § 1990 BGB berufen, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren mangels Masse nicht eröffnet werden kann oder eingestellt wird. Durch diese Einrede kann der Erbe eine Befriedigung der Nachlassgläubiger verweigern, soweit der Nachlass nicht ausreicht.
Ferner kann sich der Erbe auf die Erschöpfungseinrede nach § 1989 BGB berufen, wenn das Nachlassinsolvenzverfahren durch Verteilung der Masse oder durch einen Insolvenzplan beendet wird. Mit dieser Einrede kann der Erbe eine Befriedigung der Nachlassgläubiger verweigern, weil der Nachlass erschöpft ist und keine Nachlassmittel mehr zur Verfügung stehen.
Dieser Artikel ist stark vereinfacht und dient lediglich zu Informationszwecken. Eine individuelle Beratung mit einem Rechtsanwalt ist zu empfehlen!
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Fragen und Antworten zum Thema „Nachlassinsolvenz“
Quellen zum Thema „Nachlassinsolvenz“
- Jaeger/Windel InsO, § 315 Rn. 2
- Müller in Jaeger InsO, § 16 Rn. 2 ff.
- NACHLASSINSOLVENZ – WORAUF SIE ACHTEN MÜSSEN – LEXIS RA (lexis-rechtsanwaelte.de)
- NACHLASSINSOLVENZ – WORAUF SIE ACHTEN MÜSSEN – LEXIS RA (lexis-rechtsanwaelte.de)
- NACHLASSINSOLVENZ – WORAUF SIE ACHTEN MÜSSEN – LEXIS RA (lexis-rechtsanwaelte.de)
Foto von Melinda Gimpel auf Unsplash